Fashion & Crime im 18. Jahrhundert

Sonntag, 8. Juni 2014

in
Am Freitag habe ich einen sehr schönen Abend mit einigen sehr netten Nähnerds/ Bloggerinnen aus dem Westen in einem lauschigen Biergarten verbracht. Neben den interessanten Gesprächen, fand ich es ausgesprochen faszinierend zu sehen, wie sehr ein Blog die Persönlichkeit und das Temperament der jeweiligen Bloggerin wiederspiegelt.

Die geneigte Leserin wird sich nun fragen, was zur Hacke hat das mit dem Titel dieses Posts zu tun? Ganz einfach. Frau Prinzenrolle erwähnte im Gespräch, dass sie sehr gern Krimis liest. Kann ich gut verstehen, mir geht es auch so.  Nach dieser Bemerkung fiel mir dann ein, dass es einen sehr netten historischen Krimi gibt, der insbesondere für Nähnerds eine spannende Lektüre ist.

Der Titel lautet: "Kreideweiß - Letzte Schreie".   Es handelt sich um einen Krimi aus der sogenannten Preussenkrimiserie vom Autor Tom Wolf und ist im Jahr 2012 erschienen.

Inhaltlich geht es darum, dass König Friedrich der Große im Juli 1772 aus Anlass des Geburtstages seiner Schwester ein Großes Fest gibt, zu dem auch mehrere französische Couturiers geladen sind. Die Modelle dieser Couturiers sollen nicht nur an Puppen (wie damals üblich) sondern auch an lebenden Modellen vorgeführt werden. Plötzlich sterben einige Hofdamen, Coutureschneiderinnen und eine Hutmacherin. Zuerst geht man von Selbstmorden aus, aber die Hauptperson dieser Krimireihe der Hofkoch Auguste Langustier kommt schnell dahinter, dass es sich hier um eine Reihe von Morden handelt. Er wurde vom König höchstpersönlich gebeten, sich in die Ermittlungen einzuschalten, da er auch in der Vergangenheit mehrfach erfolgreich in Mordfällen ermittelt hat.

Interessant für Nähnerds ist an diesem Krimi, dass der Autor, der sehr akribisch recherchiert hat, detailliert über die Mode der damaligen Zeit berichtet.

Kostprobe gefällig? Hier ein kleines Beispiel aus dem Buch, wie das Ankleideritual einer damaligen "Dame der Gesellschaft" ausgesehen hat:

"Eine frische Haube, Chemise und neue Strümpfe haben Sie - wie ich eben - schon angelegt, das mag eine halbe Minute dauern...Sodann wird Ihre Zofe die überknielangen Strümpfe kurz unter dem Knie mit Strumpfbändern festbinden, bevor sie Ihnen... den wadenlangen Anstandsrock umbindet, der selbst bei den schlimmsten Windstößen Schutz vor dem Aufheben der Röcke und eventuellen unschicklichen Einblicken bietet. danach werden Sie ... Schuhe anziehen, denn anschließend, sobald Ihnen die Schnürbrust umgelegt ist, werden Sie sich nicht mehr bücken können. Es sei denn, die Zofe übernimmt es, dann kann es später erfolgen. Bevor nun ihre Helferin das hinten oval geschnürte Mieder ... richtig festzurrt und Ihnen den Stiefel aufs Fischbeinskelett setzt, um sie richtig und wenn ich richtig sage, meine ich richtig fest - einzuschnüren,  zieht sie auch noch einmal die Chemise darunter gerade, sodass der Ausschnitt richtig sitzt und nicht zu viel Stoff an einer Stelle zusammengeballt ist. Das gibt sonst blaue Flecken und tut sehr weh... Die Poschen werden Ihnen umgebunden - die kleine Version des Paniers, die vor vielleicht zwanzig Jahren aufgekommen ist ... aufgepasst! Diese kleinen Polster sind zugleich Taschen - in die eine ganze Menge Krimskrams hineinpasst! Auch Mordwerkzeuge, Schleifen, Giftflaschen! Wenn Sie ... sehr viel repräsentieren müssen, bei einem Fest etwa, oder wenn Sie richtig altmodisch sind, kann es auch das Große Panier sein. Dann schleppen Sie auf den Hüften zwei Riesenkörbe mit sich herum. Um die Reifen der Poschen oder des großen Paniers nach außen unsichtbar werden zu lassen, ziehen Sie einen oder mehrere Unterröcke darüber. Jetzt erst kommt der eigentliche Rock, die Jupe an die Reihe."

"Das zweiteilige Taillenband ist so lang, dass Sie die hintere und die vordere Hälfte des Rockes jeweils getrennt umbinden können. Tun Sie dies so, dass der vordere den hinteren an den Seiten um ein Stück überlappt - so können Sie sich bequem in die Taschen, will sagen: in die Poschen greifen... Lassen Sie sich nun, falls Sie in der Öffentlichkeit herumspazieren und nicht am Hof unter aufgeklärten Menschen sind, ein helles oder ein leicht durchscheinendes Fichu oder Brusttuch verpassen - bevor die Jupe an die Reihe kommt. Die Zofe wird es so legen, dass der Ausschnitt bedeckt ist, und am Rücken festbinden. Jetzt wird mit Stecknadeln der Stecker vorn auf der Schnürbrust befestigt. Der Stecker ist die Verhüllung und Ummäntelung der Schnürbrust - aus dem gleichen Stoff wie die Jupe und der Rock, denn es soll so aussehen, als sei es ... ein Stück. Zum Schluss ziehen sie wie einen Mantel die eigentliche Robe über das alles. die Vorderkanten werden von der Zofe auf den Stecker gelegt und dort festgesteckt. Wenn es sich um eine Robe a la francaise handelt, muss der figurnahe Sitz sichergestellt werden, indem auch der Rücken der Robe hochgeschlagen und die Zugbänder stramm gezogen werden. Bei der Robe a lánglaise ist das unnötig, denn die ist schon eng." 

Weisse bescheid!

An dieser Stelle möchte ich noch anmerken, dass es laut Roman im Juli 1772 annähernd so warm ist, wie an diesem Pfingstwochende. Da falle ich doch schon beim lesen in Ohnmacht...

Seine Detailinformationen hat sich der Autor nach eigener Auskunft nicht nur aus Büchern sondern auch aus dem sehr schönen Blog www.marquise.de geholt. Auf  diesem Blog finden sich mit viel Liebe zum Detail zusammengetragene Informationen zu historischer Kleidung bis in die 50er Jahre des 20. Jahrunderts.

Der Krimi selbst ist nicht gerade ein Pageturner bei dem man sich vor lauter Spannung wie es denn weitergeht, die Fingernägel abknabbert. Statt dessen ist die Handlung (für mich) erfreulich unblutig. Schöne saubere Morde ohne allzuviel unnötiges Gemetztel aber mit reichlich Informationen zum Leben der (wohlhabenden) Menschen im 18. Jahrhundert.

Die im Buch genannten Couturiers sind natürlich rein fiktionale Gestalten, allerdings mit lustigen Namen in denen sich Verballhornungen von bekannten Modedesignern /-unternehmern des 20. Jahrhunderts finden.  

Zusammengefasst die ideale Lektüre für entspannte Wochenend- oder Urlaubstage (oder ein prima Kontrastprogramm zur WM!) mit reichlich Informationen zur Bekleidung des 18. Jahrhunderts.

Übrigens: Auch wenn der obige Link zum Großen Internetversandhaus führt, gehe ich natürlich davon aus, dass Ihr euch das Buch bei Interesse beim örtlichen Buchhandel Eures Vertrauens besorgt, oder noch besser - in der örtlichen Stadtbücherei ausleiht.






2 Kommentare:

  1. Danke für diesen vielversprechenden Tipp, auch ich lese gerne Bücher, in denen es um Mode oder textiles geht, ein bisschen Handlung dazwischen schadet nicht ;-))
    Als weitere allgemein bekannte Literatur denke ich hier beim Lesen an "Des Kaisers neue Kleider"
    Auch Dokus über Mode, Modemacher (gestern YSL) und Historisches mag ich. Auf Marquise bin auch ich schon mehrfach hängen geblieben.
    Zur WM brauch auch ich Kontrastprogramm.
    LG Ute

    AntwortenLöschen
  2. Schön, dich live kennengelernt zu haben! Und danke für den guten Lesetipp - ich habe das Buch schon ausgeliehen und mit Vergnügen angefangen zu lesen...
    Gruß, Petra

    AntwortenLöschen